Gestalterinnen und Gestalter tragen eine Mitverantwortung im Prozess der Digitalisierung, sagt Max Rheiner, Künstler und Leiter des Masterstudiengangs in Interaction Design an der Zürcher Hochschule der Künste. Dort ist er massgebend beteiligt am Aufbau des Physical Computing Labors. Analog und digital sei heute so wenig zu trennen wie Körper und Geist, sagt er.
Die Grenzen zwischen analoger und digitaler Welt werden fliessender, was bedeutet dies für den Menschen und was bedeutet es für die Kunst?
Wir stecken in einer Umbruchphase, die auch für Kunst und Gestaltung eine gewichtige Herausforderung darstellt, weil ein grosser Teil unseres Lebens sich in die digitale Welt verlagert. In der Wirtschaft ist das Ziel dieser Verlagerung die Optimierung von Leistung sowie kommerzieller Erfolg. Die Kunst soll das nicht nur reflektieren. Sie soll die Technologien und ihre gesellschaftlichen Konsequenzen kritisch hinterfragen und ihr Potential gestalterisch und künstlerisch ausloten und erforschen.
Welche Verantwortung tragen Kunstschaffende in diesem Szenario?
Die ist nicht zu unterschätzen. Meist sprechen wir von der Verantwortung von Ingenieuren und Firmen, die digitale Produkte lancieren. Doch in diese Prozesse sind nicht selten Gestalter involviert. Deshalb müssen auch sie sich hinterfragen.
Wird die Kunst in gleichem Masse digitaler wie die Gesellschaft oder beobachten Sie einen gegenläufigen Trend hin zum Analogen?
Zu jeder Bewegung gibt es eine Rückwärtsbewegung. Der Retro-Effekt ist zurzeit stark ausgeprägt. Wie im Romantizismus, als man sich zurück besann auf das sogenannte “edle Wilde”, wecken digitale Technologien heute den Wunsch nach Natürlichkeit, wie es sich zum Beispiel im Urban Gardening zeigt.
Sie beschäftigen sich sowohl als Kunstschaffender, als auch im Rahmen Ihrer Lehrtätigkeit mit der Digitalität. Welchen Mehrwert bietet digitale Kunst gegenüber der analogen?
Ich würde nicht von analoger und digitaler Kunst sprechen, denn wie vorher erwähnt, sind die Grenzen total verschwommen. In den Wissenschaften wird ja auch nicht mehr klar zwischen Körper und Geist getrennt. Man kann eine hoch digitale Arbeit in gewissen Fällen auch ohne digitale Medien machen.
In welchen Lebensbereichen schätzen Sie persönlich die Digitalisierung am meisten und in welchen wünschen Sie sich eine analoge Welt zurück?
Ich nutze das Digitale bei der Wissensgewinnung und im Unterricht. Da erlebe ich diese Möglichkeit als extrem positiv. Man kann sich autonom Informationen aneignen und lernen. Das Problem ist, die digitale Durchdringung des Alltags abzuschalten. Da hat das Analoge einen Vorteil Man klappt ein Buch zu, schliesst eine Tür und Ruhe hat man. Die digitalen Medien verfolgen einen bis in den Schlaf.