Wie viel man sich von der Digitalisierung abnehmen lässt, muss jeder für sich selber entscheiden, sagt Leigh Sachwitz, studierte Architektin aus Glasgow. Sie betreibt seit 1999 das Studio für Design flora&faunavisions in Berlin. Dort kreieren sie und ihr Team emotionale Momente mit digitalen Hilfsmitteln. An der Volvo Art Session 2017, wird flora&faunavisions für die visuelle Gestaltung und Umsetzung der multimedialen Bühnenshow verantwortlich sein.
Frau Sachwitz, die Grenzen zwischen analoger und digitaler Welt werden fliessender. Was bedeutet das für den Menschen und was bedeutet es für die Kunst?
Es bedeutet sowohl für den Menschen, als auch für die Kunst, dass wir neu überdenken müssen, wie Mensch und Maschine, beziehungsweise Human und Digital, miteinander zurecht kommen. Wenn diese Fusion nicht gelingt, kann am Ende nichts Neues entstehen. Digitales Design umgibt uns in allen Lebensbereichen, wir müssen es unbedingt als Mittel für den Fortschritt nutzen – ohne dabei die menschliche Art zu verlieren.
Welche Rolle kommt Kunstschaffenden in der fortschreitenden Digitalisierung zu?
Wir Menschen müssen nicht einfach alles akzeptieren, wir können Dinge auch beeinflussen und verändern. Die Kunstschaffenden helfen dabei, in dem sie dazu inspirieren, spielerisch neue Wege zu gehen und die digitale Transformation so auslegen, dass sie uns Menschen weiter bringt.
Wird die Kunst im gleichen Masse digitaler wie die Gesellschaft es wird?
Eine Rolle in unserem Alltag spielt das Digitale seit den 90er Jahren. Wenn wir nun vergleichen, was damals in der digitalen Kunst vorhanden war und was heute vorhanden ist, dann ist der Unterschied beträchtlich. Aktuell gibt es eine komplett neue Welle in der Kunst, die nur existieren kann, weil wir mittlerweile in einer digitalen Welt leben. Digitale Kunst kann auf aktuelle Themen sehr schnell reagieren, wie beispielsweise die Flüchtlingskrise, wie man es auch an der Documenta (Anm. d. Red.: Kunstausstellung) in Kassel sehen konnte. Digitale Kunst wird immer relevanter werden, aber niemals die analoge Kunst ablösen können.
flora&faunavisions bezeichnet sich als innovativer Schaffer von emotionalen Momenten. Lassen sich Emotionen mit digitalen Elementen besser vermitteln?
Emotion ist etwas, was eine Maschine nicht liefern kann. Die emotionalen Momente werden in den Köpfen der Menschen produziert. Wir benutzen bei flora&faunavisions aber digitale Mittel, Technologie und Steuerung, um diese emotionalen Momente bei den Menschen hervorzurufen.
Was war Ihre Motivation bei der Volvo Art Session teilzunehmen?
In der Kreation von emotionalen Momenten mittels neuester digitaler Mittel bin ich Expertin. Bereits 1999 habe ich damit begonnen – damals standen natürlich bedeutend weniger Mittel zur Verfügung als heute.
Meinem Grundsatz bin ich treu geblieben: Egal, ob es sich um die neueste Holographie, optische Täuschungen, Projektionstechnologie, Programmierung oder andere digitale Mittel handelt; mein Interesse gilt dem emotionalen Erlebnis, bei dem der Mensch im Mittelpunkt steht. Die Volvo Art Session ist mit dem diesjährigen Thema Human meets Digital natürlich ein Match für uns.
In welchen Lebensbereichen schätzen Sie persönlich die Digitalisierung am meisten und in welchen Lebensbereichen wünschen Sie sich manchmal die analoge Welt zurück?
Ich schätze die Digitalisierung als ergänzendes Werkzeug. Sie gibt mir die Möglichkeit, mich kreativ, visuell und auditiv auszudrücken, was früher niemals so einfach möglich gewesen ist. Man konnte früher nicht einfach einen Film drehen oder Fotos machen, ohne eine gute, teure Kamera zu besitzen. Heute kann man ohne grossen finanziellen Aufwand kreativ sein – das ist wunderbar.
Von der Digitalisierung im Wohnbereich bin ich allerdings weniger begeistert. Ich möchte nicht, dass mein Kühlschrank Butter für mich bestellt, wenn keine mehr da ist. Ich bin in der Lage, mich komplett selbst darum zu kümmern – hoffentlich auch noch wenn ich achtzig Jahre alt bin.
Wie viel man sich von der Digitalisierung abnehmen lässt, muss jeder für sich selber entscheiden. Mir ist es wichtig, die Maschine als Unterstützung zu betrachten, die mir hilft, mir aber nicht alles abnimmt. Ich möchte auch im Alter aktiv bleiben im Kopf.