Nicolas Bürer, Managing Director von digitalswitzerland beschreibt sich selber als Achiever, Connector und Arrangeur. Der studierte Physiker bringt den richtigen Mix aus Praxiserfahrung und der akademischen Welt mit, um die Schweiz zum führenden digitalen Innovationshub zu machen. Wir haben mit ihm über das Thema «Human meets Digital» gesprochen.
Herr Bürer, treibt der Mensch die Digitalisierung oder die Digitalisierung den Menschen?
Der Mensch treibt die Digitalisierung, ganz klar. Wir entscheiden, wie schnell sich Robotisierung und Automatisierung entwickeln werden – und nicht umgekehrt.
Führt die Digitalisierung die Menschen näher zusammen oder entfremdet sie uns?
Auf jeden Fall bringt sie uns näher. In ein paar Jahren werden viele der Tätigkeiten, die wir heute ausführen, nicht mehr notwendig sein, da sie automatisiert werden. Dies verschafft den Menschen mehr Zeit, beispielsweise für das soziale Leben. Ich glaube, die Tendenz ist nicht, dass wir in Zukunft alle nur noch virtuell leben werden. Im Gegenteil: wir werden einander analog wieder näher kommen.
Als Geschäftsführer von digitalswitzerland haben Sie sich auf die Fahne geschrieben, die Schweiz zum führenden digitalen Innovationshub zu machen. Wo stehen wir heute im internationalen Vergleich und wo sehen Sie noch Potenzial?
Die Schweiz hat heute in Bezug auf die Bevölkerung die weltweit höchste Dichte an Grossunternehmen. In der digitalen Innovation sind wir mit der ETH und EPFL bereits sehr gut positioniert. Und auch die Fachhochschulen machen in der Bildung einen super Job.
Bei den Start-ups hingegen müssen wir uns deutlich verbessern. Die besten Hubs der Welt, wie das Silicon Valley, Israel oder Berlin, haben zehn Jahre Vorsprung. Den gilt es aufzuholen. Bereits ab diesem Jahr werden mehr als 1 Milliarde Schweizer Franken in Start-ups investiert. In zwei bis vier Jahren wird unser Ökosystem mit den führenden Hubs mithalten können. Auch bei den KMUs müssen wir uns verbessern, um den Zug nicht zu verpassen. 70 Prozent aller Jobs in der Schweiz werden von KMUs generiert.
Und nicht zuletzt muss die Schweizer Bevölkerung in Bezug auf die Digitalisierung noch besser informiert und sensibilisiert werden. Dass sie die Risiken und Herausforderung kennt, erscheint mir wirklich wichtig.
Sind Sie im Alltag digitaler als andere?
Ja. Der Durchschnittsschweizer verbringt täglich neun Stunden mit seinem Smartphone. Und ich bin wohl eher bei elf Stunden pro Tag. Wobei: Digital heisst für mich nicht nur Smartphone, ich habe alle meine Dateien in Clouds und benutze kein Papier mehr. Ich arbeite aber nicht virtuell. Ich habe täglich mehrere physische Meetings. Die Digitalisierung bringt für mich einen hohe Effizienzsteigerung, aber der soziale Aspekt bleibt genauso wichtig – wenn er nicht sogar an Bedeutung gewinnt.
Künstler sind oftmals von technologischen Innovationen inspiriert und integrieren sie auch gerne in ihre Werke. Gibt es auch den Fall, wo Technologie von der Kunst inspiriert wird?
Ja, absolut. Es gibt ein neues Museum an der EPFL, das Art Lab. Da werden Kunst und Technologie hervorragend verknüpft. Das ist ein konkretes Beispiel, wo Technologie von Kunst inspiriert wurde.
Welche Verantwortung tragen Organisationen, die die Digitalisierung mitprägen und vorantreiben?
Es ist elementar, wenn man Technologie entwickelt und auf den Markt bringt, dass man immer gut überlegt, dass das irgendwo eine Verbesserung für die Welt bringen soll. Die Verantwortung liegt darin, dass ihr Tun einen wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Zweck erfüllt. Kunst sehe ich dabei als Vehikel, das die Zivilisierung und den Spassfaktor erhöhen kann. Die Wahrnehmung einer Sache wird dank Technologie mittels Kunst gesteigert.
Die Grenzen zwischen analoger und digitaler Welt verschwimmen. Was bedeutet das für den Menschen?
Man spricht immer noch von einer Work-Life-Balance. Doch die gibt es aus meiner Sicht nicht mehr. Es ist ein Leben, 24 Stunden pro Tag und jeder entscheidet für sich, was ihm wichtig ist und in welcher Welt er leben möchte. Die klare Trennung zwischen privat und Business ist verschwunden. Dasselbe gilt bei digital und analog – die Grenze wird immer flüchtiger. Für den Menschen ist das positiv: Es bedeutet eine hohe Effizienzsteigerung, mehr Sicherheit, mehr Vergnügen und mehr Zeit für Lifestyle. Wobei wir dabei die Risiken in Bezug auf Arbeitslosigkeit und sozialer Neuordnung natürlich auch im Auge behalten müssen.
Was bedeutet die Auflösung von digitalen und analogen Grenzen für die Kunst?
Einen einfachen Zugang zur Kunst für den grössten Teil der Bevölkerung. Vielleicht sogar von zu Hause aus, über virtuelle Brillen. Die immer besseren Visualisierungsmöglichkeiten erhöhen die Interaktion und den Spass. Das kann der Kunst nur gut tun.
Was hat Kunst in einer gänzlich digitalisierten Welt in zukünftigen Geschäftsmodell für einen Stellenwert?
Definitiv einen hohen. Es gibt weltweit viele Kunstliebhaber. Die Digitalisierung hilft dem Menschen in einer globalen Welt. Wobei der Mensch über allem bleibt. Auch in Zukunft werden weiterhin grosse Geschäfte mit Kunst gemacht werden. Vielleicht andere Geschäfte, andere Geschäftsmodelle, globaler als heute. Aber sie werden weiterhin sehr bedeutend bleiben. Soviel ist sicher.