Ein Beitrag aus der Serie “Volvo Classics Söndag”
Im Reifen schwedische Luft und im Kühler schwedisches Wasser: Wenn es um seinen Volvo PV544, Baujahr 1963 geht, überlässt Wolfgang Brunecker nichts dem Zufall. Die aussergewöhnliche Liebe zu seinem gut erhaltenen „Buckelvolvo“, inspirierte den Volvo Fan schon zu grossen Abenteuern.
Die Liebesgeschichte begann genau genommen im Jahr 1986. Wolfgang Brunecker und seine Frau Christiane waren gerade Eltern geworden, als der erste Volvo PV544 in die heimische Wuppertaler Garage einzog. Es war die Erfüllung eines Jugendtraums. Auch wenn das Umfeld befand, dass es so gar kein guter Zeitpunkt sei, sich als frischgebackener Vater einen verbastelten Oldtimer zuzulegen. Es sollte jedoch eines Besseren belehrt werden: Der weisse Buckelvolvo, wie der PV544 aufgrund seines runden Hecks auch genannt wird, beförderte die junge Familie zuverlässig mehr als 100’000 Kilometer weit. Trotzdem trennte sich Brunecker nach sechs Jahren von dem Fahrzeug.
54 Jahre auf dem Buckel
Bei einer Kfz-Werkstatt in Duisburg, die sich auf alte Volvo Modelle spezialisiert hatte, funkte es schliesslich: Einen PV544 aus dem Jahr 1963 hatte der Besitzer mithilfe eines Scouts aus Schweden geholt. Brunecker konnte den Zustand des dunkelgrauen Buckels kaum fassen: Der Himmel präsentierte sich schneeweiss, die Sitze waren einwandfrei; vom Regler bis zum Blinkrelais – alle Teile waren original und sahen, genauso wie die Gummimatten, aus, als wären sie es erst vor Kurzem produziert worden. Weder Lackierer noch Schweissbrenner hatte der Wagen je gesehen. Leichte Lackschäden an der Frontmaske zeugten von einer Vergangenheit auf schwedischen Schotterstrassen. Der Kilometerstand der fünfstelligen Tachoanzeige zeigte 34’000 Kilometer – und diese waren aufgrund des Zustandes nicht unrealistisch.
Kühlwasser aus Umeå
„Das ist mein Volvo!“, entschied Brunecker und kaufte ihn für 14’000 Deutsche Mark. Vier Jahre lang fuhr ihn der ehemalige Werbeleiter bei der Deutschen Bahn zunächst sowohl als Dienst- als auch als Familienwagen – 50’000 Kilometer, ohne eine Panne. „Jeden Morgen war es eine Freude, einzusteigen: Die Geräusche, die Gerüche, das Fahrgefühl bei jeder Geschwindigkeit – alles fühlte sich absolut vertraut an.“ Mit seinem Buckel in „grafitgrå“ besuchte er fortan regelmässig Volvo Treffen, wo er nicht selten inmitten der modifizierten Buckelvolvo auffiel. Tiefbettfelgen mit Breitreifen, Recaro-Schalensitze oder sportliche Rundinstrumente: Das alles hatte sein Volvo PV544 nicht und trotzdem avancierte Brunecker schnell zum Freak in der Szene – gerade weil er das Thema Authentizität gerne auf die Spitze treibt. In seinem Autoradio dudelt schwedische Musik, in die Reifen hat er via Kompressor schwedische Luft gepumpt im Kühler und Wischwassertank befindet sich sogar schwedisches Wasser aus dem Ort der ersten Zulassung.
Wo alles begann
Wie ein verliebter Mann, der wissen will, woher seine Liebste stammt, machte sich Wolfgang Brunecker 1994 auf die Suche nach den vorherigen Besitzern seines Schätzchens. Mithilfe eines schwedischen Motorjournalisten fand er heraus, dass der Volvo PV544 mit der Chassis-Nummer 401534 am 31.10.1963 das Werk in Göteborg verlassen hatte und ins nordschwedische Umeå ausgeliefert wurde. Am 8. November hatte ein gewisser Olof Sjölin den Wagen angemeldet, dann aber noch gewartet, bis der letzte Schnee im April 1965 weggetaut war, und schliesslich mit ihm die erste Spritztour zusammen mit seiner Frau Gunvor unternommen. Nach dem Tod ihres Mannes war Gunvor Sjölin mit dem Buckel nach Östersund umgezogen. Der Volvo hatte also tatsächlich nur einen Vorbesitzer. Eine gute Story witternd, stellte der Journalist den Kontakt zwischen Gunvor und Wolfgang her.
Es dauerte nicht lange, bis im Wuppertaler Briefkasten ein Brief aus Schweden lag. Darin schrieb Gunvor Sjölin, dass sie den geliebten Wagen nur mit schwerem Herzen wegen nachlassender Hör- und Sehkraft und mangelndem Stellplatz verkauft habe. Sie sei sehr in Sorge gewesen, dass er in schwedische „Rockerhände“ gelangt sein könnte, und nun froh, dass Wolfgang Brunecker ihn gekauft habe. Seitdem bekam Familie Brunecker jedes Jahr zu Weihnachten eine Karte von ihr.
„Einmal wollte ich einen Spiegel auf die Sonnenblende kleben, man will natürlich hübsch sein als Frau. Aber Olof hat das nicht erlaubt – der Wagen sollte so bleiben, wie er war.“ Gunvor Sjölin
Ein Wiedersehen mit Rührung
2000 reifte in Brunecker schliesslich die Idee, die Vorbesitzerin mit dem Buckelvolvo in Östersund zu besuchen. Diese Fahrt, 5’000 Kilometer in fünf Tagen, wurde zu einem bleibenden Erlebnis: Die mittlerweile 86 Jahre alte Dame, die immer noch selbstständig in ihrer eigenen Wohnung in Östersund wohnte, empfing Brunecker so warmherzig wie ein Mitglied ihrer Familie. Sie fuhren gemeinsam durch die nordschwedische Szenerie, Gunvors Blicke wanderten dabei gerührt in ihrem alten Volvo umher. „Einmal wollte ich einen Spiegel auf die Sonnenblende kleben, man will natürlich hübsch sein als Frau. Aber Olof hat das nicht erlaubt – der Wagen sollte so bleiben, wie er war.“
Olof Sjölin war offensichtlich ein ebensolcher PV544-Purist wie Brunecker. Der Volvo schien sich übrigens über den Ausflug in die alte Heimat ebenfalls zu freuen – er meisterte die Strecke ohne Probleme und deutete so an, dass er für noch grössere Abenteuer zu haben ist.
Buckel trifft auf Beduin
„Dethleffs Beduin, Baujahr 1963, Restaurierung abgebrochen, komplett, 650 Euro VB“, las Brunecker im Mai 2011 im Volvo-Oldtimerforum. Sohn Moritz war mittlerweile erwachsen und nun war es Bruneckers Frau, die ihrem frisch pensionierten Mann zum Kauf des urigen Wohnwagens riet: „Kauf den doch, dann hast du was zu tun!“ Der Dethleffs Beduin überzeugte sie mit einer kleinen Küche mit zweiflammigem Seppelfricke-Gasherd, einer funktionierenden Truma-Gasheizung, einem kleinen, abnehmbaren Wassertank, viel Stauraum, einer grossen Liegefläche und sehr viel Licht durch vier grosse Fenster und einer Dachluke.
Mit dem Oldie-Gespann auf grosser Alpentour
Während andere sich mit einem solchen historischen Gespann zum gemütlichen Wochenendausflug an den Bodensee aufmachten, trieben die guten Erfahrungen Wolfgang Brunecker zu einem kühneren Vorhaben an: Er reiste im Sommer 2016 mit seiner Frau, Buckelvolvo und Beduin-Wohnwagen in fünf Wochen von Wuppertal ins südfranzösische Blieux. Dabei durchquerte er die Ost- und Westalpen, legte auf Landstrassen 4’932 Kilometer zurück und bewältigte ganze 27 Alpenpässe.
Immer wieder wurde Brunecker gefragt, wie ein Buckelvolvo von 1963 eine solche Gewalttour mit Anhänger habe meistern können. Richtige Probleme gab es tatsächlich nur an einem einzigen Tag: Erst liess schlagartig die Motorleistung nach, was an einem verstopften Luftfilter lag, später wurde das Zugfahrzeug schnell heiss und Brunecker musste ihm mehrere Pausen gönnen. Doch der Fehler war schnell gefunden. Ganz entgegen seiner Art, hatte Brunecker einen falschen Kühlerverschluss aufgeschraubt.
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