Vor 50 Jahren ging eine Ära zu Ende: Am 3. Juli 1970 lief der letzte Volvo Amazon vom Band. Es war eine Erfolgsgeschichte sondergleichen: Der Amazon eroberte die Welt, auch wenn er ausserhalb Skandinaviens Volvo 120 hiess.
Der Volvo Amazon ist Kult. Mehr noch: Selbst 50 Jahre nach Ende der Produktionszeit ist schätzungsweise jeder zehnte je verkaufte Volvo Amazon immer noch im Einsatz. Die Langlebigkeit und Zuverlässigkeit der Limousine sind nur zwei von vielen Gründen, warum der Amazon zur Legende wurde.
Das Design
Zeitlos und ikonenhaft: Das Design des Volvo 120 ist einzigartig. Gezeichnet wurden die schönen Linien vom damals erst 26-jährigen Jan Wilsgaard. Es war der erste Streich des später langjährigen Volvo Design-Chefs. Unter Jan Wilsgaard entstanden in den nächsten Jahrzehnten die ebenso legendären Volvo 140 und Volvo 240 sowie die Volvo 700er-Serie.
Der junge Zeichner wählte für den Amazon die Pontonform, die mit den schlanken Flanken und den integrierten Kotflügeln die Moderne im Autodesign einläutete. Die spitz zulaufende Motorhaube signalisierte Sportlichkeit, die hohen Türlinien dienten sowohl der Sicherheit also auch der Optik, die ein bisschen an die amerikanischen Hot Rods der 1950er-Jahre erinnert. Doch vor allem orientierte sich der junge Designer an den italienischen Autoformen jener Tage. Der Volvo 120 gefiel vom Fleck weg, als er im Herbst 1956 in Schweden debütierte.
Die Sicherheit
Der Volvo Amazon brachte erstmals Innovationen, welche die ganze Automobilwelt nachhaltig verändern sollten. So wurden mit dem Volvo 120 erstmals Crashtests durchgeführt. Dies führte zu einer weltweiten Neuheit, die ab 1959 serienmässig zur Ausstattung gehörte: der Dreipunkt-Sicherheitsgurt. Bis heute ist er das wohl wichtigste Sicherheitsfeature überhaupt. Man schätzt, dass der Dreipunkt-Sicherheitsgurt in seiner rund 60-jährigen Produktionszeit das Leben von über einer Million Menschen rettete.
Der Volvo 120 hatte aber noch weitere aussergewöhnlichen Sicherheitsausstattungen: zum Beispiel das gepolsterte Armaturenbrett, die Zweikreisbremsanlage, die Blechstärke des Kiruna-Stahls, die bei 1,2 Millimetern lag, sowie ein effektiver Rostschutz, der wichtige Karosserieteile vor Korrosion schützte. Die Bauteile wurden im Warmbad verzinkt – eine Massnahme, die auch dazu beitrug, dass der Volvo 120 Amazon eine weit überdurchschnittliche Lebenserwartung hatte.
Der Antrieb
Der Vierzylinder-Motor des Volvo 120 bewies sich als äusserst robust und spulte problemlos mehrere hunderttausend Kilometer ab – oft noch mehr. Die Technik war nicht kompliziert und hätte von jedem Mechaniker repariert werden können, wenn denn etwas kaputt gegangen wäre. Anfänglich gab es den Amazon mit einem 1,6-Liter-Motor, der 60 PS leistete. 1958 debütierte der dank Doppelvergaser und schärferer Nockenwelle 61 kW (83 PS) starke Volvo Amazon Sport. Es ging aber noch mehr: Mit bis zu 94 kW (128 PS) starken 2,0-Liter-Sportmotoren zählte der Volvo 123 GT Amazon in zahlreichen Tourenwagen- und Rallye-Meisterschaften zu den Favoriten.
Das Weltauto
Elegante Viertürer, schnelle Sportler und schicke Familienkombis: Schon 1958 erweiterte Volvo das Modell-Angebot. Mit Erfolg: 60 Prozent der Amazonen gingen in den Export. Es war auch der erste Volvo, der ausserhalb Schwedens produziert wurde. 1963 eröffnete im kanadischen Halifax ein Werk, das den nordamerikanischen Markt belieferte. Später ging ein weiteres Werk im südafrikanischen Durban an den Start. Die grösste Investition tätigte Volvo jedoch in der belgischen Stadt Gent. Dort wurde 1965 eine Fabrik mit einer anfänglichen Jahresproduktion von 14’000 Fahrzeugen eröffnet.
Die kontinuierliche Modellpflege hielt die Volvo 120/130/220-Reihen frisch – auch nach der Einführung des designierten Nachfolgers Volvo 140 im Jahr 1966. Bis 1970 wurden 667’791 Volvo Amazon produziert.
Der letzte Volvo Amazon wurde am 3. Juli 1970 im Werk Torslanda bei Göteborg gebaut. Eine dunkelblaue Limousine, die direkt in die Fahrzeugsammlung fuhr, aus der später das Volvo Museum hervorging.