Bis 1967 herrschte auf Schwedens Strassen Linksverkehr – so wie in England oder Australien. Das sollte sich am «Dagen H» ändern, als innert 10 Minuten der gesamte Verkehr die Strassenseite wechseln musste.
Schwedens Strassen sind für alles andere bekannt als für Verkehrschaos. Doch genau das befürchtete man, als am 3. September 1967 um 5 Uhr morgens sämtliche Verkehrsteilnehmer die Strassenseite wechseln mussten. Es war der Dagen H, der Stichtag für die Umstellung von Links- auf Rechtsverkehr; das «H» steht dabei für «högertrafikomläggningen». Mit diesem Zungenbrecher passte sich Schweden dem europäischen Standard an. Schliesslich waren die meisten Autos bereits auf den Rechtsverkehr vorbereitet, also links gesteuert. Das fand man vor dem Dagen H ganz praktisch; immerhin wurde man so bei Dunkelheit weniger vom Gegenverkehr geblendet. Ausserdem empfanden viele den direkten Ausstieg auf das Trottoir als praktisch und sicherer.
Wie oft bei grossen Umstellungen waren die Ängste davor gross. Eine 30-seitige Broschüre, die an alle Haushalte verteilt wurde, sollte die schwedische Bevölkerung über den Dagen H aufklären. Hinter dem Tag H steckte ein Mammutprojekt, das nach jahrelanger Planung am Sonntag, dem 3. September 1967 um Punkt 5 Uhr mit einer logistischen Meisterleistung umgesetzt wurde. So mussten innert Stunden landesweit neue Verkehrsschilder aufgestellt sowie Verkehrsampeln umgedreht werden.
Innerhalb von exakt zehn Minuten und einem Live-Countdown über das Radio sollte der Seitenwechsel zivilisiert vollzogen werden. Während in einigen Städten dafür ein 24-stündiges Fahrverbot verhängt wurde, gab es während vier Stunden um die Stunde X ein allgemeines Fahrverbot für Privatpersonen.
Nicht nur Autofahrerinnen und Autofahrer mussten sich neu orientieren, sondern auch der Fussverkehr beim Überqueren der Strasse. Zur Sicherheit wurden nach der Verkehrsumstellung rund hunderttausend Personen – darunter ältere Schüler, Rekruten und Freiwillige – eingesetzt, um die Verkehrsregelung sowie Fussgängerstreifen zu überwachen. Aber bereits nach einem Monat hatten sich die Schwedinnen und Schweden an die Umstellung gewöhnt.
Das «Problem» mit dem Linksverkehr hat sich historisch festgefahren. Eigentlich hatte bereits König Karl XII. seinen Untertanen im Jahr 1718 den Rechtsverkehr verordnet. Doch bereits 1734 wurde diese Regelung wieder rückgängig gemacht. Was für Kutschen und Pferde keine grosse Rolle spielte, wurde erst mit dem Automobil zum Problem. 1923 wurde nach langem Hin und Her eine Verordnung erlassen, die unmissverständlich den Linksverkehr festlegte. Obwohl die Politik zwischen 1927 und 1953 neun Vorstösse machte, um den Rechtsverkehr einzuführen, stimmten die Schwedinnen und Schweden 1955 klar dagegen.
Dem Volkswillen zum Trotz entschied die Regierung im Jahr 1963, dass 1967 der Rechtsverkehr eingeführt werden sollte. Die Umstellung der öffentlichen Verkehrsbetriebe, insbesondere der Busse oder der Strassenbahn, sollte allerdings länger dauern. Leider strich man in diesem Zug einige Strecken zugunsten des Individualverkehrs.