Kennst du Charles-Édouard Jeanneret-Gris? Bestimmt. Vielleicht ist dir sein Pseudonym geläufiger: Le Corbusier. Der Neuenburger revolutionierte die Architektur auf das Wesentliche, wofür er zu barem Geld wurde und von der UNESCO geehrt.
Le Corbusier gilt als einer der einflussreichsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Was den 1887 in La Chaux-de-Fonds geborenen Designer/Architekten/Künstler so einzigartig machte, ist sein radikal funktionaler Stil, der mit gesellschaftlichen Konventionen, aber auch mit statischen Grundsätzen brach. So gilt Le Corbusier sowohl als Vater der modernen Hochhäuser als auch der Stadtplanung.
Die Schönheit der Funktionalität
Zweckmässig, funktional und wirtschaftlich sollte das moderne Wohnen sein. Diese Sichtweise deckt sich mit den Leitsätzen des legendären Volvo Designers Jan Wilsgaard: «Das Funktionelle ist oft das Schöne. Man folgt den Gesetzen der Natur und macht die Dinge nicht komplizierter, als sie wirklich sind. Funktionelle und vernünftige Lösungen sind oft die attraktivsten.»
Le Corbusier wollte eine radikale Änderung der Architektur als logische Konsequenz auf die rasante technische Entwicklung des frühen 20. Jahrhunderts. Er sollte recht haben und wurde zum Visionär eines neuen Jahrhunderts der Architektur.
Charles-Édouard Jeanneret-Gris starb 1965 in Cap-Martin. Der Jahrhundert-Architekt erlitt nahe seines Ferienhäuschens Le Cabanon beim Baden im Meer einen Herzschlag und ertrank.
Zu Ehren seines Schaffens, das weit über die Architektur hinausgeht und insbesondere auch seine Designmöbel beinhaltet, zierte das Konterfei von Le Corbusier die 10-Franken-Note der achten Serie (1997–2017).
17 seiner Gebäude wurden 2016 in das UNESCO-Kulturerbe aufgenommen. Nicht nur in der Schweiz, sondern in insgesamt sieben Ländern, darunter in Frankreich, Indien und der Türkei.
Hier fünf berühmte Bauten von Le Corbusier:
Heidi Weber Museum, Zürich
Dieses Gebäude, das sich nahe der Zürcher Seepromenade befindet, ist zwar nicht von der UNESCO geschützt, dafür ist das «Centre Le Corbusier» das letzte vom Architekten Le Corbusier entworfene Gebäude. Im Inneren war bis Mai 2016 das «Heidi Weber Museum – Centre Le Corbusier» untergebracht, das Le Corbusier als Universalgenie zeigte. Seit 2019 wird das Gebäude unter dem Namen «Pavillon Le Corbusier» im Auftrag der Stadt Zürich vom Museum für Gestaltung Zürich geführt.
Villa „Le Lac“ Le Corbusier (1923), Corseaux
Die Villa „Le Lac“ Le Corbusier befindet sich in der Gemeinde Corseaux am Genfersee, auf einem schmalen Grundstück zwischen Seeufer und der Hauptstrasse. Der Baugrund bot nicht die besten Voraussetzungen für die Errichtung eines Hauses, allerdings bot der Standort einen grandiosen Blick nach Süden auf den See und die Berge. Le Corbusier löste dieses Problem auf seine Weise und entwarf das wohl erste Tiny-House. Jedem Element wurde eine bestimmte Fläche zugeordnet, die sich je nach Nutzung erweitern liess. Dieser bescheidene, 64 m² grosse Bau, vereinte schon 1923 drei seiner «fünf Punkte einer neuen Architektur»: den freien Grundriss, den Dachgarten und das 11 Meter lange Fenster – eines der ersten Langfenster in der Geschichte der Architektur.
Villa Savoye, Poissy
Die Villa Savoye wurde von 1928 bis 1931 in Poissy, nordwestlich von Paris, erbaut. Es war eines der ersten Gebäude, welches auf Le Corbusiers fünf Grundsätzen gebaut wurde: das Haus auf Stützen, der Dachgarten, der freie Grundriss, das lange Fenster und die freie Fassade. Obwohl es sehr grosse Aufmerksamkeit auf sich zog, war es wegen massiver Baumängel nicht bewohnbar.
Im zweiten Weltkrieg wurde die Villa erst zur deutschen Kommandozentrale, später zur amerikanischen und diente danach Jahre lang als landwirtschaftlicher Speicher. 1962 übernahm der Staat das Gebäude und führte 1963 ersten Renovierungsmassnahmen durch. Die eigentliche Renovierung dauerte von 1985 bis 1997. Der Bau ist so bekannt, dass der Spielzeughersteller LEGO die Villa Savoye neben anderen Architektur-Ikonen im Rahmen seiner «Architecture»-Reihe als 660-teiliges Modell anbot. 2016 wurde es als eines der bedeutendsten Häuser der Moderne in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.
Notre-Dame-du-Haut, Ronchamp
Architekturstudenten in ganz Europa haben in den 2000er-Jahren darüber abgestimmt, welches die schönsten Gebäude der Welt sind. Auf Platz 1 kürten sie das 1950 entworfene Gebäude Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp. Die Kapelle Notre-Dame-du-Haut ist auch eine Ikone christlicher Sakralarchitektur, die den Kirchenbau im 20. Jahrhundert revolutionierte. Die Grundzüge des Entwurfs für die Kapelle entstanden in nur wenigen Tagen: ein asymmetrisches Gebäude, geschwungene Wände, überwölbt von einem schalenförmigen Dach. Die Asymmetrie brach mit der traditionellen Vorstellung eines kreuzförmigen Kirchengrundrisses.
Sainte-Marie de La Tourette, Lyon
Wegen seiner radikalen Architektur war Le Corbusier nicht unumstritten. Als Wegbereiter des sogenannten Brutalismus, der später vor allem im Kommunismus übernommen wurde, erntete Le Corbusier oft Kritik. Das Dominikanerkloster in der Nähe von Lyon ist ein zentraler Bau dieser Bewegung. Auf den ersten Blick zwar nicht gerade einladend, aber als Gesamtwerk äusserst durchdacht und mit der Umgebung interagierend. Funktionalität stand auch hier an oberster Stelle – zum Beispiel mit modernen Belüftungssystemen. Entworfen hat Le Corbusier den modernen Klosterbau mitte der 1950er-Jahre – im Jahr 1960 wurde er eingeweiht. Im Juli 2016 wurde das Bauwerk gemeinsam mit anderen Bauten Le Corbusiers zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Titelbild: Sainte-Marie de La Tourette, © Flickr.com, Aurelien Guichard, CC BY-SA 2.0