Vom P1800 über den hochexklusiven 780 Bertone bis hin zum zeitlos eleganten C70 – emotionale Coupés haben bei Volvo Tradition. Was Anfang der 1960er-Jahre mit klassischen Zweitürern begann, findet heute seine Fortsetzung im progressiven Crossover C40 Recharge.
Der typische Volvo hat in den meisten Köpfen eine lange, gerade Dachlinie, die in ein Steilheck mit grosser Klappe mündet. Der Kombi ist für den schwedischen Autobauer das, was das Billy-Regal für Ikea und die rote Haarfarbe für Pippi Langstrumpf ist: ein wichtiges Markenzeichen – doch wie die Fans der Marke wissen, auch ein Klischee. Denn abgesehen davon, dass die globalen Bestseller aus Göteborg heutzutage der Kategorie SUV angehören, glänzte Volvo im Laufe der Geschichte immer wieder mit aufregenden, kultigen Coupés.
Schon seit den 1930ern waren auf Basis bestehender Fahrgestelle exklusive zweitürige Aufbauten entstanden. Mit dem vom schwedischen Nachwuchsdesigner Pelle Petterson im italienischen Designbüro von Pietro Frua gezeichneten P1800 änderte sich jedoch der Anspruch: Das erste Grossserien-Coupé der Schweden sollte neue Märkte, insbesondere die USA, erobern. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten bei der Fertigung gelang dies auch: Zwischen 1961 und 1972 entstanden fast 40 000 Exemplare des heute wohl begehrtesten aller Volvo Klassiker.
Die filigrane Karosserie nach italienischer Gran-Turismo-Art mit amerikanisch anmutenden Heckfinnen machte den zunächst 90 PS und später 124 PS leistenden P1800 zur Ikone. Zur Popularität trug gewiss auch seine Rolle als Dienstwagen von Roger Moore alias Simon Templar in der TV-Krimiserie «The Saint» bei.
Und als Beweis, dass der 2+2-Sitzer nicht nur schön, schnell und – als erstes Sportcoupé mit serienmässigen Sicherheitsgurten auf allen Plätzen – sicher sein konnte, brachte ihn seine Robustheit auch noch ins Guinness-Buch der Rekorde. Ein US-Amerikaner legte mit seinem P1800 S bis 1998 über fünf Millionen Kilometer zurück.
Als sich Volvo im Laufe der 1970er wieder auf Alltagsgefährte mit hohem Nutzwert konzentrierte, schien das Thema Coupé vorerst abgehakt. Der 1977 auf dem Genfer Salon vorgestellte 262 C kam als Überraschung. Und als avantgardistische noch dazu: Die stark geneigte Windschutzscheibe, schmale Seitenfenster und das abgesenkte, in den ersten Jahren stets mit Vinyl verkleidete Dach verliehen dem Zweitürer auf Basis der 200er-Limousinen eigenwillige Proportionen. Sein besonderer Charakter erschloss sich aber vor allem im Interieur, das damals vor üppigem Leder und Wurzelholz nur so strotzte.
Als König des Typprogramms erhielt der 262 C an der breiten C-Säule eine Krone; an der A-Säule deutete das Logo des italienischen Karosseriewerks Bertone darauf hin, wo das Auto gefertigt wurde. Die Nachfrage lag über den 6622 Fahrzeugen, die zwischen 1977 und 1981 entstanden, sodass das Coupé schon zu Bauzeiten als Sammlerstück galt. Noch seltener war die beim kalifornischen Spezialisten Solaire gebaute Cabrio-Version: Statt der geplanten 50 gab es lediglich fünf Stück.
An Exklusivität mangelte es auch dem 1985 erneut in Genf präsentierten und wieder bei Bertone gebauten Volvo 780 nicht. Anders als beim 262 C waren die Italiener diesmal auch ins Design involviert und stellten gemeinsam mit den Schweden ein komplett eigenständiges, überaus mondänes Luxuscoupé auf die Räder. Von den elektrisch einstellbaren Ledersitzen und Edelholz-applikationen über das Audiosystem mit 120-Watt-Verstärker bis hin zu den innovativen Gurtstraffern zählte alles zum Serienumfang und rechtfertigte damit einen Preis von 75 000 Franken. Kein Wunder also, wurde der mit 4- und 6-Zylinder-Benzinern und wahlweise sogar mit einem Turbodiesel erhältliche Nobel Volvo nur in ausgewählten Märkten, darunter auch die Schweiz, angeboten und bis 1990 lediglich 8518 Mal gebaut.
Als Volvo 1996 den C70 in Paris vorstellte, hatte die Marke bereits eine beachtliche Coupé-Tradition vorzuweisen und landete doch wieder eine Überraschung. Nicht nur, dass der von 5-Zylinder-Motoren mit bis zu 240 Turbo-PS befeuerte Zweitürer sportlicher ausgerichtet war als die beiden Vorgänger – das mit dem britischen Kooperationspartner Tom Walkinshaw Racing entwickelte Design brach mit der kantigen Formensprache. «Wir warfen die Kiste fort, behielten aber das darin verwahrte Spielzeug», kommentierte der damalige Volvo Design-Chef Peter Horbury die skulpturale Karosserie, die es bald auch in einer offenen Version mit Metallklappdach gab. Hinzu kamen vielfältige Individualisierungsoptionen – jeder C70 sollte ein Unikat sein – sowie markentypische
Sicherheitsinnovationen, darunter ein Seitenaufprallschutzsystem einschliesslich Seitenairbags.
Beim 1997er-Film «The Saint» setzten die Macher wie schon beim TV-Original aus den 1960ern einen Volvo als Dienstwagen ein und liessen Val Kilmer im C70 vorfahren. Der Film floppte, nicht aber das Fahrzeug: Von der ersten Generation wurden 76 809 Exemplare gebaut; 2005 folgte mit der zweiten Generation eine Kombination aus Coupé und Cabriolet mit dreiteiligem Hardtop.
Apropos Kombination: So unbestritten der P1800 das von Volvo legendärste Coupé ist, sorgte doch vor allem seine Weiterentwicklung zum Kombi-Coupé P1800 ES für Furore – wegen seiner üppigen Verglasung als «Schneewittchensarg» bekannt. Und so ist es keineswegs ein Traditionsbruch, wenn das nächste emotionale Coupé aus Göteborg gleichzeitig ein Crossover ist. Sein schräg abfallendes Heck ist dem seines Urahnen direkt nachempfunden, und wie sein Vorgänger belässt er es nicht beim aufregenden Design: Der Volvo C40 Recharge fährt rein elektrisch, ist mit dem neusten Google Automotive OS ausgerüstet und setzt dem Zeitgeist entsprechend auf ein lederfreies Interieur.