Als Profisegler blickt der Zürcher Christian Scherrer auf eine eindrucksvolle Karriere zurück. Nun schlägt der «America’s Cup»-Sieger und Friend of Volvo ein neues Kapitel auf.
Er hat die Welt umsegelt und heftige Stürme überstanden. Doch der Verkehr in der Zürcher Innenstadt ist auch für Christian Scherrer eine Herausforderung. Zu unserem Treffen am Bellevue erscheint der Schweizer Topsegler leicht verspätet. Zug verpasst, Auto genommen, Bekanntschaft mit dem Verkehrsaufkommen in Zürich gemacht.
«Zum Glück fahre ich gern Auto und fühle mich in meinem Volvo XC90 Recharge sehr wohl», sagt Scherrer. Das Modell erfüllt nicht nur all seine Ansprüche an Komfort, Sicherheit und Nachhaltigkeit; es eignet sich auch perfekt als Alleskönner für die Anforderungen seines Sports. Der Segelprofi lacht: «Der Volvo XC90 Recharge passt einfach zu einem Typen wie mir.»
Zu einem Typen wie ihm. Das bedeutet: zu einem charismatischen Erfolgsmenschen. Einem weitgereisten Macher, der gern eigenständig denkt. Einem, der Schwierigkeiten nicht als Hindernis, sondern als Herausforderungen sieht. Wie sonst käme es einem jungen Mann aus dem Binnenland Schweiz in den Sinn, Segeln zum Beruf machen zu wollen – und er schafft es sogar an die Weltspitze in einem sonst von Athletinnen und Athleten aus Küstenstaaten dominierten Sport.
«Obwohl ich in Winterthur aufgewachsen bin, hatte ich das Glück, dass mein Grossvater in den 50er- oder 60er-Jahren ein Fischerhäuschen am Bodensee gekauft hat. Dort verbrachte ich in meiner Jugend jedes Wochenende und die Ferien. Ich war ein echter Seebub», sagt Scherrer. Auch sein Vater war ein Segler. Scherrer lacht: «Meinen Bruder dagegen hat es nie gepackt.»
Wurden Sie bei Ihrem Wunsch, Profisegler zu werden, von Ihren Eltern unterstützt?
«Nein, ich wurde nicht wirklich unterstützt, das darf ich schon so sagen. Auch wenn mein Vater mir das Segeln beigebracht und mir die Passion für den Sport weitergegeben hat, hat er mich weder als Junior noch später zu Trainings gefahren, und als ich ihm sagte, ich wolle Segelmacher lernen, lautete die Antwort: ‹Zuerst machst du mal eine KV-Lehre!› Dafür stand bei unserem Haus am See jeweils eine Jolle oder ein Sportboot für mich zur Verfügung. Das war natürlich toll, ging aber nicht in die Richtung Unterstützung, die ich mir gewünscht hätte.»
War das ein zusätzlicher Ansporn?
«Nein. Das hat es auch gar nicht gebraucht: Ich wollte segeln, ich wollte Profi werden. Es gab für mich keinen Plan B. Es war auch keine klare Karriereplanung, nur Passion. Es gab damals auch noch keine Strukturen wie heute. Morgen zum Beispiel fahre ich nach Lausanne zu einem Scout-Camp für Segeltalente.»
Segelprofi war in der Schweiz damals wohl auch kein anerkannter Beruf.
«Nicht nur das! Vor 35, 40 Jahren war Sportler generell kein Beruf. Jeder und jede musste zuerst etwas ‹Anständiges› lernen, so wie ich mit dem KV. Ich bin aber nicht unglücklich, dass ich diese Lehre absolviert habe, im Gegenteil. Ich habe Sprachen und das Zehnfingersystem gelernt, und ich habe einen gewissen Geschäftssinn entwickelt; das sind alles Dinge, die du später als Sportler gebrauchen kannst. Der Sport ist professionell geworden.»
In dieser Beziehung ist in den letzten Jahren tatsächlich viel passiert, auch in der Schweiz. Heute können Athleten parallel zum Studium eine Sportkarriere verfolgen. Wie an der Uni Lausanne, wo das Swiss Sailing Team (SST) ein nationales Performance-Center betreibt. «Vielleicht ist Lausanne nicht das Segel-Mekka. Aber du kannst dort Fitnesstraining, Mentaltraining und parallel dazu dein Studium machen. Das wäre bei mir nicht möglich gewesen», so Scherrer.
Scherrer musste seinen Weg selber gehen. Sein «Förderer» in der Welt der Segler war Pierre Fehlmann, der ihn unter seine Fittiche nahm. Als «Rookie» machte Scherrer eine Saison für ihn, es harmonierte zwischen den beiden, und der Rest ist – wie man so schön sagt – Geschichte: die Weltumsegelung mit Fehlmann («die Mount-Everest-Besteigung für einen Segler»), 2003 der Sieg mit Alinghi am 31. Americaʼs Cup in Auckland, 2006 ISAF Match-Racing-Weltmeister mit Peter Gilmour, seit 2015 Manager der GC32 Racing Tour. Scherrer: «Ich bin vielleicht nicht der talentierteste Segler auf der Welt. Aber ich habe einen starken Willen, und ich bin ein guter Teamplayer. Ich habe mich immer in Crews hinein entwickelt.»
Dieses Talent hilft ihm nun auch beim Aufschlagen eines neuen Kapitels. Da er nun 52 Jahre alt ist, rückt der aktive Sport etwas in den Hintergrund. Seine Expertise ist dafür umso stärker gefragt. Zum einen setzt er diese seit Januar für das Swiss Sailing Team ein: Seit dem 1. Januar 2022 amtet Scherrer als neuer CEO für SST und kümmert sich als Teamleader um das Schweizer Olympiateam. «Für mich war das ein bewusster Schritt. Ich werde nicht jünger, ich habe eine Familie mit zwei kleinen Kindern in der Schweiz, und das 60-Prozent-Pensum lässt mir Raum für andere Tätigkeiten. Ausserdem freue ich mich darauf, das Schweizer Segelteam in seinen olympischen Bestrebungen zu unterstützen. Genauso wichtig ist es aber, auch den jungen Seglerinnen und Seglern zu helfen. Denn sie sind die Zukunft unseres Sports.»
Als «Americaʼs Cup»-Sieger, Hansdampf in allen Schweizer Segelgewässern und SRF-Segelsportexperte ist Scherrer zudem auch als Speaker und Consultant gefragt. «Ich wurde schon vor dem Americaʼs Cup gebucht, die Weltumsegelung war diesbezüglich durchaus ein Türöffner. Aber Alinghi hat das Ganze noch mal auf ein anderes Level gehoben.»

Was erzählen Sie dem Publikum, wenn man Sie als Speaker bucht?
«Die Themen sind grob gesagt der Umgang mit Extremsituationen, Motivation und Teambuilding. Inzwischen gebe ich vor allem Motivations-Teambuilding-Referate, in denen es darum geht, wie man Leistungen am besten bündelt, damit die optimale Teamleistung erreicht werden kann. Die Frage lautet: Wie bringt man verschiedene Individuen mit verschiedenen Fähigkeiten unter einen Hut und holt das Beste aus ihnen raus?»
Bei diesem Thema sind Sie Fachmann.
«Ich kann zumindest aus dem Fundus meiner Erfahrungen von der Weltumsegelung und vom Americaʼs Cup schöpfen. Da habe ich alles erlebt. Vom Untergang der zweiten Rennjacht mit One Australia vor der Küste von San Diego bis hin zum Triumph mit Alinghi in Neuseeland. Auch in Valencia 2007 habe ich Dinge erlebt, die gehen auf keine Kuhhaut!» (lacht)
Welche Message wollen Sie den Leuten mitgeben?
«Ich nehme gerne Beispiele aus Regatten, bei denen bestimmte Entscheidungen, die oft lange vorher getroffen wurden, das Endresultat beeinflusst haben. Damit möchte ich aufzeigen, dass derjenige, der am Schluss vor der Kamera steht oder den Pokal entgegennimmt, nur ein Teil des Ganzen ist. Er ist Teil eines Prozesses, der ohne all die Details, Entscheidungen und vor allem ohne das Wirken von jedem einzelnen in einem Team nicht möglich wäre. Jeder und jede ist ein Teil des Ganzen, jede und jeder ist wichtig. Das ist mein Credo.»
Dass diese Botschaft in der heutigen Zeit eine besondere Gültigkeit hat, liegt auf der Hand. Nachhaltige Veränderungen geschehen nicht über Nacht, und Lösungen können ihre Wirkung nur dann voll entfalten, wenn möglichst viele mitziehen. Das gilt für den Umweltschutz wie auch für gesellschaftliche Veränderungen.
Der Segelsport ist in dieser Frage ohnehin vergleichsweise progressiv aufgestellt. Denn auf dem Boot segeln nicht selten Männer und Frauen zusammen. «Das ist etwas enorm Wertvolles. Frauen bringen andere Aspekte mit ins Boot als Männer. Kraft ist beim Segeln nicht alles – Strategie, Teamdynamik, Zusammenarbeit und Belastungssteuerung sind auch wichtige Themen. Und bei denen sind Frauen nicht selten die entscheidenden Faktoren.»
Um noch einmal auf Ihren Vater zu sprechen zu kommen: Hatten Sie am Ende ein gutes Verhältnis?
«Wir haben uns respektiert. Und wir hatten bis zu seinem Tod zwar ein eher distanziertes, aber ein gutes Verhältnis. Er war so, wie viele Väter aus seiner Generation nun mal waren. Es freut mich aber, dass das Segeln die gemeinsame Passion und der Kitt war, der uns zusammengehalten hat. Spätestens nach dem Sieg mit Alinghi war er auch stolz auf mich. Aber – den Sieg hats gebraucht.»
Gehen Sie mit Ihren Kindern anders um?
«Klar. Die Ausgangslage ist auch eine andere. Ich habe bei meinen welschen Kollegen schon bei der Weltumsegelung viel gelernt über den Umgang mit Nähe und über das Zeigen von Zuneigung. Da sind wir Deutschschweizer ja etwas verknorzt. Zudem habe ich lange in Spanien gelebt, und meine argentinische Frau hat das alles noch mal auf ein anderes Level gehoben. Dort geht nichts über den Zusammenhalt und die Zuneigung in der Familie.»
Sie sind relativ spät Vater geworden.
«Bis 40 hatte ich nicht daran gedacht, eine Familie zu gründen. Ich glaubte auch nicht wirklich, dass ich beziehungsfähig bin. Zudem hatte ich eine tolle Zeit als Single. Dass es nun so gut klappt, hat sicher damit zu tun, dass meine Frau selbst Seglerin ist und aus einer Seglerfamilie kommt. Sie teilt meine Passion und kann damit umgehen, wenn ich nicht da bin.»
Sollen Ihre Kinder in Ihre Fusstapfen treten?
«Sport ist eine tolle Lebensschule. Aber ob sie diese Schule mit Segeln oder einem anderen Sport absolvieren, ist mir letztlich egal. Natürlich würde ich es mir wünschen, dass sie auch segeln, aber das dürfen sie selber entscheiden.»
Hat Segeln Ihrer Meinung nach das Potenzial zum Breitensport?
«Segeln hat zwar immer noch diesen elitären Anstrich, aber das ist eigentlich nicht fair: Mit Segeln zu beginnen ist einfacher, als viele denken. Geht in den lokalen Segelclub und meldet eure Kinder zum Schnupperkurs an! Im Segelsport ist sehr viel passiert, und die Strukturen werden immer besser. Plus: Man ist draussen in der Natur, hat Wasser, Wind, Sonne, Regen um sich, man arbeitet im Team, es gibt technische und emotionale Aspekte – Segeln bietet alles, um eine gute Zeit zu haben. Und das gilt auch, wenn man kein Meer vor der Haustüre hat.»