Die Sehnsucht nach dem Frühling wächst von Tag zu Tag. Das war schon immer so. Darum gibt es landauf, landab traditionelle Bräuche, die dem Winter den Garaus machen sollen.
Sechseläuten, Zürich
«Wänn de Böögg verbrännt, wird’s Früelig! Dänn vertwachet Züri us em Winterpfuus», sang einst das Trio Eugster über den wohl berühmtesten Frühlingsbrauch der Schweiz. Der Brauch ist noch nicht mal so alt: Zwar geht das Sechseläuten auf einen Beschluss im Jahr 1525 zurück, aber es bedeutete drei Jahrhunderte lang nichts weiter, als dass der Arbeitsschluss mit dem Sechseläuten erst um 6 Uhr ist statt um 5 Uhr wie im Winterhalbjahr. Der erste Zunft-Umzug fand nämlich erst im Jahr 1818 statt. Dann kamen Jahr für Jahr mehr Zünfte dazu. 1839 fand der erste Sechseläuten-Umzug statt, an dem alle Zünfte teilnahmen.
Allerdings noch ohne Böögg-Verbrennung. Diese Tradition war eigentlich eine Art Gegenveranstaltung im Arbeiterviertel «Kratz», wo Buben seit dem Mittelalter am Sechseläuten verkleidete Puppen verbrannten. 1862 wurde zum ersten Mal zum Abschluss des Sechseläutens ein Böögg verbrannt – seit 1902 auf dem Sechseläutenplatz.
Das diesjährige Sechseläuten findet am 17. April in Zürich statt. Um Punkt 18 Uhr wird der über drei Meter hohe und 80 kg schwere, mit Feuerwerkskörpern gefüllte Böögg angezündet. Für viele Besucherinnen und Besucher ist es das Highlight des Tages. Es werden auch fleissig Wetten abgeschlossen, wie lange der Böögg brennt, bis sein Kopf explodiert. Mit dem grossen Knall gilt der Winter offiziell als beendet. Je schneller dies der Fall ist, desto heisser und länger wird der Sommer, sagt man.
Auffahrts-Umritt, Beromünster
40 Tage nach Ostern ist Auffahrt. Beim religiösen Feiertag, der immer an einem Donnerstag stattfindet, feiern gläubige Christen die Rückkehr Jesu zu seinem Vater im Himmel. Gemäss dem Lukas-Evangelium erschien Jesus seinen Jüngern noch 40 Tage lang nach seinem Tod, bevor er vor ihren Augen in den Himmel emporstieg. Während die meisten Leute heute darin einfach einen freien Tag sehen, wird die Auffahrt im luzernischen Beromünster seit über 500 Jahren traditionell begangen.
Am frühen Morgen des Auffahrt-Donnerstags begibt sich im Flecken Beromünster eine sakrale Reitergruppe zu einem rund 18 km langen Umritt. Die Gruppe besteht aus Geistlichen, Kirchenvertretern, der Reitermusik, einer Sängergruppe und zivilen Reitern hoch zu Ross. Begleitet werden sie von hunderten Pilgern zu Fuss. Die Prozession hält an bestimmten Orten für Predigten und Lesungen, bevor sie am frühen Nachmittag zurück in den Flecken kommt, begleitet vom Glockenklang der Pfarr- und der Stiftskirche und einem grossen Publikum.
Eierleset, Nordwestschweiz
Besonders in den Kantonen Aargau, Solothurn und Basel-Landschaft wird dieser alte Frühlingsbrauch noch zelebriert. Dabei steht das Ei als Symbol der Fruchtbarkeit im Mittelpunkt. Beim «Eierleset» wird der Frühling symbolisch gegen den Winter ins Rennen geschickt.
Bei dieser traditionellen Variante in Effingen stehen aufwändig gefertigte Figuren im Vordergrund, welche sich einen erbitterten Kampf liefern. Punkt 14 Uhr warten Scharen von Schaulustigen auf die maskierte Schar. Laut und ausgelassen kommt das wilde Heer aus seinem Quartier. Voran die Helden des Spiels, ein Läufer, der ganz in Weiss den frischen Frühlingsboten verkörpert, und ein Reiter hoch zu Ross. Dann schickt der Eier-Pfarrer die beiden auf Tour: den Reiter in die Nachbarschaft, den Läufer zum Auflesen der 162 Eier, die es eines nach dem anderen aufzuheben und in eine mit Spreu gefüllte Wanne am Ende der Dorfstraße zu legen gilt. Während der Läufer so rund zehn Kilometer hin- und herläuft, muss sein Kontrahent, der Ritter in vier Nachbardörfer reiten.
Irgendwann steht der Reiter, der als Helfer des Winters gilt, wieder am Dorfrand und wartet. Denn erst wenn das letzte Ei in der Wanne liegt, darf der Reiter ins Dorf einziehen. Undenkbar nämlich ist, dass in Effingen der Winter über den Frühling siegt.
Le Feuillu, Genf
Am ersten Sonntag im Mai kehrt mit dem Volksfest «Le Feuillu» der Frühling auch nach Genf zurück. Zahlreiche Genfer Gemeinden (Avusy, Bardonnex, Cartigny, Confignon, Onex, Perly, Plan-les-Ouates) feiern das Mai-Ritual. Es handelt sich um einen blumenreichen Kinderumzug, bei dem Kinder singend und tanzend durch ihre Gemeinde ziehen. In der Mitte fahren auf einem Wagen der Maikönig und die Maikönigin mit, gefolgt von einer mit Ästen und Zweigen bedeckten Figur, die als «La Bête» oder «Le Feuillu» bezeichnet wird. Am Ende des Umzugs wartet auf alle ein Imbiss und ein Volksfest. Da es sich um ein Fest mit keltischem Ursprung handelt, hat der Reformator Calvin es im 16. Jahrhundert verboten. Seit dem 19. Jahrhundert wird «Le Feuillu» wieder gefeiert.